Archiv Stellungnahmen

Erwiderung zur Arzneimittelinformation vom 06.02.2013

"Bisphosphonate bei Osteoporose - Hinweise zur Therapiedauer"

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Frauen ab der Menopause, bei Männern ab dem 60. Lebensjahr existiert eine S3-Leitlinie des Dachverbandes Osteologie e. V. (AWMF, Reg-Nr.: 034-003).

In dieser Leitlinie wird zur Verlaufskontrolle und Therapiedauer explizit Stellung genommen. Insofern sind wir ganz Ihrer Meinung, dass eine spezifische Therapie der Osteoporose regelmäßig auf Nutzen und Risiken geprüft werden muss. Im Leitlinientext wird dazu angeführt: "Nach Einleitung einer spezifischen medikamentösen Therapie werden klinische Untersuchungen in anfangs 3- bis 6-monatlichen Abständen und später 6- bis 12-monatlichen Abständen empfohlen."

Die von Ihnen aufgestellte These: "In Anbetracht der insbesondere nach Langzeitanwendung vermehrt auftretenden schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie z. B. Kiefernekrosen und Femurfrakturen", kann eine länger als 5 Jahre andauernde Bisphosphonat-Therapie grundsätzlich nicht befürwortet werden." ist eine Behauptung, welche Sie wissenschaftlich nicht belegen können und nach gegenwärtiger Datenlage falsch ist.

Tatsächlich hat die FDA festgestellt, dass die Zeitdauer einer optimalen Therapie nocht nicht klar ist!

"Nach Ansicht der FDA ist die Frage einer optimalen Dauer der Therapie weiterhin ungeklärt. Auch in den deutschen Fachinformationen wird mittlerweile darauf hingewiesen, dass "die Notwendigkeit einer Weiterbehandlung in regelmäßigen Abständen auf Grundlage des Nutzens und potenzieller Risiken für jeden Patienten individuell beurteilt werden sollte, insbesondere bei einer Anwendung über 5 oder mehr Jahre" (Fachinfo Fosamax)." (Ärzteblatt online, Bisphosphonate: Argumente für eine Begrenzung der Therapiedauer, Donnerstag, 10. Mai 2012)

In der DVO-Leitlinie 2009 wird dazu ausgeführt: Die Risiken einer Langzeitanwendung von Bisphosphonaten sind aufgrund von Akkumulation nicht absehbar (Einzelfallberichte von möglichen (seltenen) Spontanfrakturen).

Eine fortgesetzte spezifische Therapie ist bei entsprechend persistierend erhöhtem Risiko gerechtfertigt. Es gibt keine durch Frakturdaten gestützten individuellen Entscheidungskriterien für die Wiederaufnahme einer Therapie nach einer Therapiepause oder für einen weiteren Therapieverzicht.

Das entscheidende Kriterium für die Therapie ist das Frakturrisiko und natürlich gibt es Daten, welche einen positiven Effekt einer Bisphosphonattherapie über einen Zeitraum von 5 Jahren und mehr belegen.

So die 5-Jahresdaten zur Anwendung von Risedronat (Long-term efficacy of risedronate: a 5-year placebo-controlled clinical experience O. H. Sorensen, Bone 32 (2003) 120-126) und die 7-Jahresdaten (Seven Years of Treatment with Risedronate in Women with Postmenopausal Osteoporosis D. D. Mellström et al, Calcif Tissue Int (2004) 75:462-468, DOI: 10.1007/s00223-004-0286-7). Beide Studien verfolgten als primären Endpunkt Frakturrisikoreduktion und zwar vertebral und nonvertebral. In der Studie von Mellström wurde allerdings die bisherige Placebogruppe ebenfalls mit Risedronat behandelt, was aus ethischen Gründen auch nicht anders vertretbar gewesen wäre. Die Risikoreduktion für neue Frakturen unter Risedronat über 5 und 7 Jahre wird in beiden Arbeiten belegt.

Zur Frage der schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Kiefernekrose und atypischen Subtrochantären Femurfrakturen möchten wir wie folgt erwidern.

Zur Bisphophonat-assoziierten Kiefernekrose existiert ebenfalls eine S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (AWMF-Register Nr. 007/091 Klasse: S3). Die Leitlinie führt aus, dass im Rahmen einer Bisphosphonattherapie der Osteoporose das Risiko für eine Kiefernekrose gering ist. In einem Sondervotum des DVO e. V., welches Bestandteil des Leitlinientextes ist, wird festgestellt:

[Sondervotum 1 des DVO vom 07.04.2012:

"Eine Kausalität einer ONJ-Entwicklung durch Antiresorptiva bei einer Osteoporosebehandlung lässt sich aus den bisherigen Studien nicht sicher ableiten, da Fälle von Kiefernekrosen auch ohne eine Exposition gegenüber Antiresorptiva beobachtet wurden."]

[Sondervotum 2 des DVO vom 07.04.2012:

"Eine kumulative Zunahme der Inzidenz von Kiefernekrosen bei Antiresorptivtherapie aufgrund einer benignen Grunderkrankung lässt sich aus den derzeitigen Daten nicht ableiten.]

Zum Auftreten von atypischen Subtrochantären Femurfrakturen bei Langzeittherapie mit Bisphosphonaten lässt sich Folgendes feststellen:

  • post-hoc-Analyse der klinischen Studien im "New England Journal of Medicine" (2010;362:1761-71). Keine signifikant erhöhte Rate von atypischen Frakturen, aber die Task Force der "American Society for Bone and Mineral Research" hat 9/2010 eine Fallserie von 310 Patienten veröffentlicht.
  • In einer Studie von Laura Y. Park Wyllie, St. Michael's Hospital Toronto: 716 Frauen > 68 Jahren identifiziert, die zwischen April 2002 und März 2008 unter der Behandlung mit Bisphosphonaten eine subtrochantäre (411 Patientinnen) oder atypische (305 Patientinnen) Femurschaftfraktur erlitten hatten.
  • Frauen, die die Bisphosphonate länger als 5 Jahre eingenommen hatten, erkrankten 2,74-fach häufiger als Frauen, die seit weniger als 100 Tagen unter dem Einfluss der Medikamente standen (Odds Ratio 2,74, 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,25-6,02).
  • Der Einsatz von Bisphosphonaten ist derzeit jedoch unverändert gerechtfertigt! Den 716 subtrochantären oder atypischen Femurschaftfrakturen standen in der gleichen Kohorte 9.723 typische osteoporotische Frakturen gegenüber, deren Risiko unter der Anwendung von Bisphosphonaten zurückging. Die für die Studie genutzte Kohorte umfasste 205.466 Frauen mit mindestens 5 Jahren Bisphosphonat-Therapie. Das absolute Risiko für eine atypische Femurfraktur lag bei 0,13 %! (Laura Y. Park-Wyllie, PharmD, MSc: Bisphosphonate Use and the Risk of Subtrochanteric or Femoral Shaft Fractures in Older Women. (Reprinted) JAMA, February 23, 2001-Vol 305, No. 8, page 783)

Genau zu diesem Urteil kommt auch die "European Medicine Agency" in dem von Ihnen der Arzneimittelinformation angehängten Schreiben vom 13.11.2011: "[...] dass atypische Femurfrakturen wahrscheinlich ein Klasseneffekt von Bisphosphonaten sich aber nur selten auftreten und der Nutzen von Bisphosphonat-haltigen Arneimitteln gegenüber den Risiken überwiegt".

Die weiteren von Ihnen angeführten Nebenwirkungen, welche im Arneimitteltelegramm 2012 diskutiert werden, wie Ösophaguskarzinom und Vorhofflimmern, sind Nebenwirkungen ohne Nachweis eines Klasseneffektes und bedürfen deshalb auch einer substanzbezogenen Diskussion.

Wir kommen allerdings nach Studium der von Ihnen vorgelegten Unterlagen erneut zu dem Schluss, dass für Risedronat nicht nur die beste Datenlage, sondern auch das geringste Nebenwirkungsprofil vorliegt und empfehlen erneut die Klassifizierung dieser Substanz als Leitsubstanz in der Gruppe der Bisphosphonate.

Abschließend bitten wir Sie um eine kurzefristige Richtigstellung Ihrer Arneimittelinformation: "Bisphosphonate bei Osteoporose - Hinweise zur Therapiedauer". Wir sind auch gern bereit, Sie dabei zu beraten.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Med. Alexander Defèr

Vorsitzender des Bundes der Osteologen Sachsen e. V.

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